20.2.16

Nähe


Nähe

Mir schickte eine Frau aus dem Ruhrgebiet
einen langen und herzlichen Brief,
in dem die ferne Fremde verriet,
ein Gedicht von mir war ihr Motiv
sich einem alten Schmerz zu stellen,
an dem sie bisher glaubte zu zerschellen.

Beim stillen Lesen meiner Worte
sei die Erinnerung an Zeiten, Orte,
Gespräche, Düfte, Lachen, Leiden
wach geworden. Sie wolle nicht mehr meiden,
was sie bisher verdrängte,
was ihr das Atmen längst beengte.

In ihrem Umschlag lagen Zeilen,
aus denen Schmerz mit der Ahnung sprach
das Dasein würde sich in Räume teilen
in ein Davor und Danach.
Die Freundin hatte so geschrieben

und die Gedichte seien ihr geblieben.
 

Sie fragte mich, ob ich verstehe.
Ich konnte nichts Besseres machen,
als ihr zurück zu schreiben
von Mut und Hoffnung, die uns bleiben,
Musik und Texten, die Leben entfachen.
Und von durch Verse empfundene Nähe.




Vielen Dank an die österreichische Lyrikerin Evelyn Weissenbach, die den Text wieder wunderbar eingelesen hat.

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