14.9.16

Bitte an den Vater (88)



Bitte an den Vater (88) 

Ich bat dich inniglich
alles aufzuschreiben
was du einst erlebtest
und stets neu erzählst

Wer liest das schon
fragtest du und
wen interessiert
mein Leben

zwischen eisigen Wänden
an denen die Decke festfror
mit der ich mich als Kind
zudeckte im beengten Haus
die Flucht aus dem Lager
ausgezehrt und flohbeladen
immer den Schienen entlang
nach Hause zu Muttern

mit dem Hunger nach Wissen
und der Hoffnung auf Frieden
in einer neuen anderen Zeit
mit all ihren Träumen
die mich erfüllten
bis unter die Haarspitzen
mir den Weg wiesen
den ich zu gehen hatte

trotz mancher Zweifel
im Fühlen und Denken
ob es so der Richtige sei
die ich erstickte aus Angst
vor dem was mir bleiben würde
wenn die Wahrheit siegte
oder aus Sorge um euch
die ich liebte

Wer liest das schon
fragtest du und
wen interessiert
mein Leben


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Welch ein wunderbares Gedicht!
Man könnte fast sagen:
Hier wird Pietät neu definiert.

Es ist wichtig, jede Zeit mit Sprache zu füllen.
Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen.
Denn Worte überdauern.
Sie sind wichtig für die, die nachkommen.

Die Angst ob des richtigen Weges einerseits,
die Angst dieser Angst nachzugeben andererseits.
Wie nachvollziehbar!

So verschlungen die Wege auch waren,
der Standpunkt für lange Momente nicht erkennbar,
er blieb sich selbst treu
mit seinen Zweifeln und seiner Hoffnung.
Der Leser erkennt, dass genau dies
der Tochter stark gemacht hat.

Erinnerungen holen die Kindheit ins Heute.
An wunderschöne Sommer und
Hoffnung zwischen Wintern.

Eine großartige Liebeserklärung
der Tochter an den Vater.


Grüße, herzlich und auch ein wenig traurig.
Nah sein in der Ferne.